Grabung Müsleringen 2013

Lehrgrabung der Universität Hamburg im neolithischen Erdwerk von Stolzenau-Müsleringen

Auch die Lehrgrabung 2013 der Universität Hamburg, Abt. Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, vom 2. – 27.9.2013 steht unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Britta Ramminger und der örtlichen Leitung von Hubertus Sedlaczek M.A. Die Grabung erfolgt wiederum in Zusammenarbeit mit dem Kommunalarchäologen der Schaumburger Landschaft, Dr. Jens Berthold, und dem FAN e.V. mit dem Vorsitzenden Dr. Wilhelm Gebers und dem Leiter der Luftbild-AG im FAN, Heinz-Dieter Freese.

Am Freitag, dem 30.8.2013, hat ein Baggerfahrer unter Anleitung des Grabungsleiters den Oberboden der abgesteckten Grabungsfläche von ca. 1000 m² mit der Baggerschaufel abgezogen und leider eine teiweise unebene Fläche hinterlassen.

An der ersten Grabungswoche haben zehn Studentinnen und Studenten der Universitäten Hamburg, Bochum, Köln, München und Heidelberg an der Lehrgrabung teilgenommen; einige waren bereits in den Vorjahren in Müsleringen dabei: Merle, Nadine, Attila und Florian. Unter den Studierenden fällt Ulrike Kunst als „älteres Semester“ auf, die verheiratete Architektin aus Karlsruhe hat ein Zweitstudium der Archäologie an der Uni Heidelberg begonnen.

Heinz-Dieter Freese als Entdecker des Erdwerkes kann am Montag, dem 2.9., als weitere Teilnehmer begrüßen: Hannah Kreibich M.A., Archäologin aus Oberhausen, Jennifer Wulff aus Bremerhaven (die sich nach Abschluß der Schule auf ein Praktikum in einem Restaurierungsbetrieb mit anschließendem Studium vorbereitet), Uve Kubitschek und Verfasser aus Hannover.                                                   

Ab 3.9. nimmt auch Eric Cording aus Nienstädt für drei Wochen an der Grabung teil, er absolviert nach Schulabschluß ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Kommunalarchäologen Dr. Jens Berthold in Schaumburg. Und am 4.9. hat Dachdeckermeister Axel Buchholz aus Minden-Kutenhausen teilgenommen, der schon 2011 und 2012 mitgearbeitet hat. Die tägliche Arbeitszeit dauert von 8 bis 17 Uhr, es gibt zwei Pausen um 10.45 und 14 Uhr.

Zur archäologischen Arbeit:

Die Grabungsfläche hat eine Länge von etwa 40 m (ungefähr West-Ost) und eine Breite von 32 m im Westen bzw. 22 m im Osten; sie ist in sieben Quadranten gegliedert und etwa 1000 m² groß.

Am Montag werden zunächst die senkrechten Kanten (Profile) an den Rändern der Grabungsfläche abgestochen, anschließend wird bis Dienstagnachmittag die gesamte Fläche per Schaufel planiert. Dabei treten an mehreren Stellen bereits Funde zutage: Scherben (teilweise sind ganze Gefäße im Boden zu erkennen), Holzkohle und Knochenbrandstückchen – es sind also wie im Vorjahr Brandgräber vorhanden; meist ist zu diesen Befunden keine Grabgrube zu erkennen.

Von Mittwoch bis Freitagnachmittag um 17 Uhr wird die gesamte Fläche von Hand mit der Kelle abgezogen, auch hierbei treten wieder ähnliche Funde an das Licht.

Die Teilnehmer beim Abziehen der Fläche mit der Kelle. Foto: G. Lübbers

Der dabei anfallende Abraum aus Sand und Kies wird in Schubkarren geschaufelt und abgefahren – bei sehr warmen Temperaturen um 30 °C und zeitweise starken Wind eine ziemlich staubige und schweißtreibende Arbeit auf stellenweise hartem Boden! In den Bereichen der Grabenabschnitte ist der Boden sandig und die Arbeit etwas leichter.

In Quadrant 1 wird ein Brandgrab mit wenig Scherben, aber vielen kleinen Knochenbrandfragmenten und Holzkohle vollständig ausgegraben, weil zwei Ausgräber am Freitag ihre Mitarbeit beenden. Hier war eine Grabverfärbung im ersten Planum erkennbar.

Hannah Kreibich und Steffen Sauler in zwei Sektoren eines Brandgrabes. Foto: G. Lübbers

Ab Montag, dem 09.9., werden die weiteren (Grab-) Befunde und zwei Grabenabschnitte des Erdwerkes ausgegraben. Am 10. und 11.9. führt Regenwetter zum frühzeitigen Abbruch der Arbeiten gegen Mittag.

Der Quer-Schnitt durch den Außengraben wird bis zum 16.9. bis auf die Grabensohle in ca. 1,80 m Tiefe ausgegraben und die Profile geputzt. Bevor das Ostprofil dokumentiert werden kann, stürzt es zum großen Teil ein; vermutlich hat der Regen die Schichten des Profils instabil gemacht. Es wird dann der Schnitt verbreitert und ein neues Profil angelegt – leider mit demselben „Erfolg“. Daher muß per Baggereinsatz ein neuer Schnitt wenige Meter östlich durch den Graben bis auf die Sohle angelegt und das Ostprofil geputzt werden – und wieder gibt es einen Teileinsturz, aber diesmal erst nach der Fotodokumentation.

Der Innengraben wird in fünf hintereinander angelegten Abschnitten, rechts und links einer Linie durch die Grabenmitte, bis zur Sohle ausgegraben (ohne daß ein Profil eingebrochen wäre), sodaß durch die fünf Abschnitte ein sehr langes durchgehendes Profil entsteht. Die Längs- und Querprofile werden gezeichnet und fotografiert, möglicherweise lassen sich später bei der Auswertung verschiedene Stadien von Verfüllung und (Wieder-) Aushebung (Recutting) des Grabens oder einzelner Abschnitte erkennen.

Besonders im Innengraben werden in den Verfüllschichten zahlreiche neolithische Gefäßscherben in mehreren Konzentrationen entdeckt, die wohl absichtlich von den jungsteinzeitlichen Siedlern abgelegt oder hineingeworfen worden waren. Auch Bruchstücke von Mahl- und Reibsteinen kommen zutage.

Längsschnitt durch den Innengraben des Erdwerkes. Foto: G. Lübbers
Jörg Friede-Buchholz, Hubertus Sedlaczek und David Zielinski hinter einer großen Graburne. Foto: G. Lübbers

Zwischen den jungsteinzeitlichen Gräben werden mehr als ein Dutzend bronzezeitliche Urnen- und Knochenbrandgräber entdeckt und ausgegraben. Der Knochenbrand ist entweder in den Gefäßen enthalten, oder neben den Urnen verstreut bzw. in einem nicht erhaltenen organischen Behältnis vergraben. Einige kleinere Gefäße, u.a. eine Henkeltasse und ein Hängebecher, liegen kopfüber im Grab und sind gut erhalten. Mehrere große Urnen wurden wohl erst vom Bagger am Gefäßrand beschädigt und können komplett geborgen werden.

Typische Gefäßformen der Jüngeren Bronzezeit, – auch bei den Beigefäßen.

Am letzten Grabungstag, dem 26.9., kommen beim Herausnehmen von Scherben aus einem Profil im Innengraben so viele Keramikstücke zutage, daß die Stelle von oben neu ausgegraben werden muß; auf etwa 150 x 70 cm Fläche liegt eine etwa 30 cm hohe Schicht aus mehreren Dutzend Scherben, die einige Eimer füllen wird!

Freilegung eines großen Scherbenpaketes . Foto: G. Lübbers
Erst am allerletzten Grabungstag stieß das Team auf eine neolithische Scherbenschüttung,- ein wichtiger Befund, der später auch wichtige Rückschlüsse auf kulturelle Einflüsse ermöglichen sollte.

Als weitere Überraschung kommt am letzten Tag eine etwa 1,5 m lange Grabverfärbung mit Knochenbrandhaufen und Knickwandtopf zum Vorschein, sie wird von Uve Kubitschek entdeckt und ausgegraben.

Uve Kubitschek legt ein kleines Gefäß frei, einen Knickwandtopf. Foto: G. Lübbers

Zum Abschluß der Lehrgrabung findet ein gemeinsamer Grillabend vor der Scheune von Herrn Denecke statt.

An einem Vortragsabend am 12.9. im Museum Nienburg, Quaet-Faslem-Haus, nehmen von 19 – 21 Uhr etwa 70 interessierte Personen teil. Dr. J. Berthold berichtet über bisherige und aktuelle Grabungsprojekte im Landkreis Nienburg, Prof. Dr. B. Ramminger referiert über die Grabungen und weitere Untersuchungen – und erste Ergebnisse – am jungsteinzeitlichen Erdwerk Müsleringen, H.-D. Freese erläutert Erklärungsmodelle zum Bau des Erdwerks.

Am 24.9. nehmen zahlreiche Besucher an Führungen über die Grabung teil.

An der Lehrgrabung 2013 haben insgesamt 17 Studentinnen und Studenten der Universitäten Hamburg sowie Bochum, Frankfurt/M., Heidelberg, Kiel, Köln und München mit großem Einsatz teilgenommen. 

Außerdem haben 18 freiwillige Helferinnen und Helfer an der Grabung mitgearbeitet, darunter acht Mitglieder des FAN; fünf TeilnehmerInnen haben dabei zwischen fünf und 13 Tagen mitgemacht (H. Kreibich M.A., U. Kubitschek, G. Lübbers, U. Milde, J. Wulff), die anderen Freiwilligen ein oder zwei Tage. Am FAN-Grabungswochenende 14./15.9. haben fünf bzw. sechs Personen (insgesamt acht) teilgenommen, darunter drei FAN-Mitglieder.

Im Namen des FAN-Vorstandes habe ich den Helferinnen und Helfern für ihren tatkräftigen Einsatz und Prof. Dr. Britta Ramminger und Hubertus Sedlaczek M.A. für die Möglichkeit zur erneuten Mitarbeit an der Lehrgrabung in Müsleringen gedankt.

Bericht Gerd Lübbers