Grabung Lüdersburg 2005

Archäologische Forschung ist oft von Zufällen abhängig. Es sind einerseits Zufälle der Entdeckung, aber auch unerwartet einsetzende historische Brennpunkte und Zeitströmungen, wie sie z. B. durch die Entdeckungen in Kalkriese ins Leben gerufen wurden. Dieser Brennpunkt hat nicht nur wegen der noch offenen Fragen zur Deutung dieser Fundstelle ein nachhaltiges Interesse gefunden und jeder Archäologe würde sich wünschen, dass auch die anderen Zeitabschnitte der Vorgeschichte mit einer derartigen Inbrunst diskutiert würden.

In diesem Zusammenhang sind auch zwei Luftbilder, die verdächtige, an die Form römischer Lager erinnernde Bewuchsstrukturen aufwiesen, über Herrn Prof. Dr. Siegmar von Schnurbein an den Landesarchäologen Dr. Haßmann mit dem Hinweis “es müssten doch in Niedersachsen noch zahlreiche unentdeckte römische Lager geben” weitergereicht worden.

Da die Römerforschung – sieht man von den Grabungen in Kalkriese ab – in Niedersachsen noch nie so richtig in Fahrt gekommen ist, gelangten die Bilder an den Verfasser dieses Beitrages, der zugleich mit der unermüdlich tätigen Arbeitsgemeinschaft der “Römer AG” im Freundeskreis für Archäologie in Niedersachsen aufmerksame Akteure aufweisen konnte.

Dem Drang nach Grabungen wurde vorerst aber nicht nachgegeben, weil nun einmal alles richtig, der Reihenfolge nach, fachlich korrekt und finanziell tragbar bleiben musste. In aller Verschwiegenheit wurde das von Otto Braasch im Jahr 1992 in der Gemarkung Lüdersburg, Ldkr. Lüneburg, aufgenommene Luftbild an den örtlichen Vertrauensmann, Herrn Christian Krohn, weitergegeben. Herr Krohn war bereit, das Feld zu begehen und nach Funden abzusuchen.

Die Suche im Jahr 2004 verlief nicht ohne Hindernisse, da der Pächter den betreffenden Acker bereits früh mit Getreide eingesät hatte, so dass das Betreten nicht auf ungeteilte Freude stieß und nur Teilbereiche der fraglichen Fläche abgesucht werden konnten. Die Ergebnisse der Begehung waren mager und sie blieben es auch nach einer intensiven Begehung mit Archäologiestudenten im Herbst des Jahres 2005. Es wurden fast ausschließlich Funde der frühen Neuzeit entdeckt.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und so ließ man sich durch die Ergebnisse der Begehung nicht einschüchtern. Sollte es sich um ein römisches Marschlager  handeln, so war schließlich nicht mit vielen Funden zu rechnen. Aber vielleicht hatten doch einige Metallfunde den Weg in die Erde gefunden ….!?

Sondenprospektion:

Gefahr war im Verzug, denn sobald die Stelle allgemein als potentielle römische Fundstelle bekannt geworden wäre, hätten Raubgrabungen professioneller Sondengänger die vielleicht einzigen Nachweise zerstört. Da der Freundeskreis für Archäologie in Niedersachsen aber eine ganze Reihe Mitglieder hat, die als Sondengänger mit der Denkmalpflege eng zusammenarbeiten, wurden diese für ein Wochenende gewonnen.

Mehrere Hektar Fläche wurden intensiv abgesucht und mehr als 200 Metallfunde wurden mit GPS zentimetergenau eingemessen. Neben einer ganzen Reihe neuzeitlicher Funde und wenigen Münzen, die vom 17. Jahrhundert bis in die Neuzeit reichten, bestand die Ausbeute überwiegend aus Metallschrott und Gegenständen, die im Zusammenhang mit der neuzeitlichen Beackerung oder mit dem Mist in die Erde gelangt waren. Ausnahme war ein gut erhaltenes Typar, das von unserem Mitglied H. Nagel gefunden wurde. Es zeigt auf der Siegelseite ein geschwungenes Wappenschild mit zwei gekreuzten Schlüsseln, u. a. den Attributen der Stadt Bremen. Innerhalb der Felder zwischen den gekreuzten Schlüsseln, befinden sich drei einzelne Punkte, unter den Schlüsseln ist ein schildförmiges kleines Dreieck zu sehen.

Nach all den aufwendigen Voruntersuchungen, zu denen selbstverständlich auch das Studium älterer Kartenwerke gehörte, blieb als “ultima ratio” ein Schnitt durch die im Luftbild sichtbaren Bewuchsmerkmale, hinter denen sich nur ein Graben verbergen konnte.

Sondagegrabung –  Ein römischer Graben?

Spannung lag in der Luft, als am Sonntag, dem 18. September 2005 der Minibagger unseres Mitgliedes Ernst Meininger über die Fläche zu der Stelle rollte, an der nach dem Luftbild und der Einmessung, die Christian Krohn am Vortag vorbereitet hatte, der Graben liegen musste. Eine gute Einmessung, denn nach wenigen Metern zeigte sich im Baggergraben die Bodenverfärbung eines alten Grabenwerkes, das tief unter der Ackerkrume verborgen lag. Vorsichtig wurde die Fläche tiefer gelegt bis der Grund des Grabens erreicht war. Tiefschwarz im oberen Bereich, in den unteren Lagen von Eisenausfällungen rostrot gefärbt und – leider nur ein flacher Sohlgraben und kein – wie in den kühnsten Vorstellungen gedachter – typisch römischer Spitzgraben!

Was die Frage der römischen Lager an der Elbe betrifft, sind wir wieder am Punkt Null angekommen. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn wir genau im Jahr 2005 ein Lager des Tiberius, dessen Vorstoß an die Elbe historisch für das Jahr 5 n. Chr. Überliefert ist (vgl. Karte S. 6), gefunden hätten – sozusagen pünktlich zu einer 2000-Jahrfeier des Ortes Lüdersburg.

Trotzdem bleibt diese Aktion für die Teilnehmer unvergessen und es ist ein historisches Untersuchungsergebnis festzuhalten, das vielleicht am besten durch den schönen Siegelstempel beleuchtet wird, denn die Anlage im Untergrund ist vielleicht nicht römisch aber immerhin eine Anlage, von der bis dahin keinerlei historische Überlieferung vorhanden war und vermutlich in die Zeit des 30-jährigen Krieges gehört.

Zum Schluss bleibt mir die angenehme Pflicht, allen vor Ort aktiven Helfern ebenso wie dem Pächter, Herrn Jürgen Gerstenkorn (Bockelkathen), und dem Grundbesitzer, Herrn Alexander Freiherrn von Spoercken (Lüdersburg), für die Geduld zu danken, mit der sie die archäologischen Arbeiten begleitet haben.

Wilhelm Gebers


Bericht aus der FAN-Post 2006 Heft 1, S. 7-9; dort sind auch die genannte Karte und einige Fotos der Aktionen in Lüdersburg zu sehen.