Beusterburg

In der Nähe der Ortschaft Betheln (Ldkr. Hildesheim), einige Kilometer östlich der Leine, befindet sich die „Beusterburg“ auf dem Westhang des „Schiefen Berges“, einer Anhöhe des Hildesheimer Waldes. Eingerahmt wird das ausgedehnte, einzügige Wall-Graben-System von den Bachtälern des „Rottebachs“ im Süden und des „Nordbachs“ im Norden. Ihren Namen verdankt die „Beusterburg“ dem in rund 400 m Entfernung entspringenden „Beusterbach“. Etwa zwei Kilometer nördlich befindet sich die Solequellen von Heyersum. Unmittelbar nördlich von Heyersum verläuft wiederum die heutige Bundesstraße B 1, welche den historischen „Hellweg“ aufgreift. Von dem Weserübergang bei Hameln kommend streicht die Route von West nach Ost in Richtung Braunschweig am Hildesheimer Wald vorbei. Es kann nur gemutmaßt werden, dass die mit einem Flächeninhalt von rund 15 Hektar monumentale „Beusterburg“ in einem Bezug zu dieser günstigen naturräumlichen und infrastrukturellen Ausstattung steht.

Die Datierung der Anlage ist strittig. In den 1930er Jahren erbrachten die Ausgrabungen K. Tackenbergs Hinweise auf ein neolithisches Alter der Anlage (Tackenberg 1951; vgl. Heine 2000, 117ff.). Eine Reevaluation der Grabungsergebnisse und Funde durch E. Cosack zieht eine latènezeitliche Datierung der Anlage in Betracht (vgl. Cosack 2008, 24ff. bes. 29ff.). Eine jüngst fertiggestellte Göttinger Masterarbeit (A. Phillippi) erhärtet erneut eine jungneolithische Zeitstellung. Insgesamt sprechen schon Form, Größe, fehlende Innenbesiedlung sowie die Struktur der Bodeneingriffe für ein jungneolithisches Erdwerk. Zumal sich etwa fünf Kilometer entfernt von der „Beusterburg“ mit Nordstemmen-Rössing (Ldkr. Hildesheim) ein weiteres Erdwerk befindet (Geschwinde/Raetzel-Fabian 2009, 190 Abb. 144). In Verbindung mit dem Erdwerk von Oesselse (FstNr. 4, Stadt Laatzen, Region Hannover) südlich Hannover konturiert sich zunehmend eine Erdwerkslandschaft im nördlichen Vorfeld Bethelns heraus (vgl. u. a. Knoche 2018, 25f.). Die bei der Grabung Tackenbergs geborgenen Scherben und Silices deuten grundsätzlich in dieselbe Richtung (ungefähr MK III–V; hierzu Knoche 2008, 154. 171; 2013, 282; Geschwinde/Raetzel-Fabian 2009, 190). Und – was übrigens als ein nahezu typisches Element vieler jungneolithischer Erdwerke gelten darf: „Für eine Besiedlung der Beusterburg liegen […] definitiv keinerlei Hinweise vor“ (Cosack 2008, 28). Bis auf Weiteres plädieren die vorliegenden Funde und Befunde für eine wahrscheinliche Anlage der „Beusterburg“ während des 38./37. Jahrhunderts v. Chr., also innerhalb des jüngeren Bauhorizonts derartiger Einhegungen. Dieser vorläufige Ansatz bedeutet nicht, dass es nicht auch zeitlich nachgelagerte Bauaktivitäten und Begehungen des Geländes gegeben haben könnte (vgl. noch unpublizierte, ganz vereinzelte Funde eiserner Geräte aus Sondenbegehungen des Innenraums; Wikipedia: Stichwort „Beusterburg“). Unabhängig von der Datierungsfrage ist hinsichtlich der aus einem einzelnen Grabenzug bestehenden Anlage noch in vielfacher Hinsicht Klärungsbedarf vorhanden. Das mit 15 Hektar Flächeninhalt monumental ausgeführte Erdwerk ist neben seiner imposanten Größe und prominenten Lage aus zwei Gründen bemerkenswert:

(1.) Es ist forschungsgeschichtlich betrachtet das erste für Nordwestdeutschland bekannt gewordene Erdwerk.

(2.) Mit einem mutmaßlichen Alter von rund 5800 Jahren wäre das Erdwerk der älteste substantiell erhaltene Baukörper Niedersachsens! Das Erdwerk ist noch in seiner ganzen Ausdehnung als geschlossene Wall-Graben-Anlage oberflächlich erhalten geblieben. Die langfristige Bewaldung des Gebiets hat sich konservierend ausgewirkt. Noch heute sind die Bodeneingriffe in Form von bis zu zwei Meter tiefen Sohlgräben mit teils vor-, teils nachgelagerten Wällen im Gelände deutlich wahrnehmbar. Die etwa zwei Kilometer lange Grabenlinie besteht aus zahlreichen Einzelsegmenten. Ein wallparalleles, mit hellem (offenbar ortsfremdem) Bodensubstrat aufgefülltes Gräbchen ist nach Cosack in seinem Charakter noch unbestimmt, jedenfalls kein Palisadengräbchen wie von Tackenberg angenommen. Möglicherweise liegt hier eine besondere Ausprägung eines Bannkreises vor (vgl. Klassen/Knoche 2019).

Benedikt Knoche

Literatur

Literatur: Cosack, E. (2008): Neue Forschungen zu den latènezeitlichen Befestigungsanlagen im ehemaligen Regierungsbezirk Hannover. Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte 31 (Wachholtz: Neumünster 2). – Heine, H.-W. (2000): Die ur- und frühgeschichtlichen Burgwälle im Regierungsbezirk Hannover. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens Reihe A, 28  (Hahnsche Buchhandlung: Hannover 2000). – Knoche, B. (2003): Das jungsteinzeitliche Erdwerk von Rimbeck bei Warburg, Kreis Höxter. Frühe Burgen in Westfalen 20 (Altertumskommission für Westfalen: Münster 2003). – Knoche, B. (2008): Die Erdwerke von Soest (Kr. Soest) und Nottuln-Uphoven (Kr. Coesfeld). Studien zum Jungneolithikum in Westfalen. Münstersche Beiträge zur Prähistorischen Archäologie 3 (Verlag Marie Leidorf: Rahden/Westf. 2008). – Knoche, B. (2013): Zur Chronologie und Typogenese der jungneolithischen Ösenleistenflaschen. In: W. Melzer (Hrsg.), Neue Forschungen zum Neolithikum in Soest und am Hellweg. Soester Beiträge zur Archäologie 13 (Westfälische Verlagsbuchhandlung Mocker & Jahn: Soest 2013) 275–298. – Knoche, B. (2018): Jungneolithische Erdwerke. F.A.N.-Post 2018, 23–26. – Tackenberg, K. (1951): Die Beusterburg. Ein jungsteinzeitliches Erdwerk in Niedersachsen. Veröffentlichungen der Urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover 13 (August Lax Verlagsbuchhandlung: Hildesheim 1951).