Grabung Müsleringen 2012

Die erfolgreiche archäologische Untersuchung 2011 des jungsteinzeitlichen Erdwerkes von Stolzenau-Müsleringen im Ldkr. Nienburg wurde im September 2012 fortgesetzt. Vom 3. bis 28.9.2012 fand eine vierwöchige Lehrgrabung der Universität Hamburg, Archäologisches Institut, Abt. Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, statt. Sie stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Britta Ramminger und der örtlichen Leitung von Hubertus Sedlaczek B.A..

Ebenfalls fortgesetzt wurde die Zusammenarbeit der Universität Hamburg mit der Kommunalarchäologie des Landkreises Nienburg (Dr. Jens Berthold) und dem FAN e.V. (Dr. Wilhelm Gebers, Heinz-Dieter Freese).

Die Grabungsmannschaft bestand aus insgesamt sechs Studierenden der Universität, sie wurde an 16 von 20 Tagen unterstützt durch ein bis fünf (durchschnittlich drei) freiwillige Grabungshelfer und –helferinnen. Insgesamt haben 22 Freiwillige an der Ausgrabung mitgearbeitet, davon 14 Mitglieder des FAN; 12 HelferInnen waren bereits 2009 oder 2011 und nun auch 2012 bei den Grabungen in Müsleringen dabei.

Die Teilnehmer haben an 66 Arbeitstagen ca. 380 Arbeitsstunden geleistet, wofür ihnen auch an dieser Stelle sehr herzlich gedankt wird.

Installation „Kleine Steinzeit-Show“ von H.-D. Freese, Foto: H. Reckleben-Meyer, Die Harke vom 8.9.2012

Am ersten Tag der Lehrgrabung errichtete H.-D. Freese, Leiter der Luftbild-AG im FAN und Entdecker des Erdwerkes, an zwei hohen Pfählen ein 5 x 1 m großes Transparent, auf dem von der Straße aus zu lesen war:

„Hier erforschen die Kommunalarchäologie der Schaumburger Landschaft, die Universität Hamburg – Archäologisches Institut, der Freundeskreis für Archäologie in Niedersachsen e.V. das an der Weser einzigartige ERDWERK von MÜSLERINGEN, etwa 4.-5. Jahrtausend vor Christus“.

Außerdem installierte er eine „Kleine Steinzeit-Show“, eine Ausstellung mit zehn Objekten (Scherben, Holzgeräte, Reibstein, Feuerstelle u.a.) und Hinweistafeln zur Erklärung von Grabungsfunden und –befunden.

In der diesjährigen Kampagne sollte eine weitere Toranlage („Erdbrücke“) im Doppelgraben des Erdwerkes sowie eine Pfostengrubenreihe innerhalb der Grabenanlage untersucht werden, die durch Luftbildbefunde und Erdmagnetfeldprospektion seit 2009/ 2010 bekannt sind.

Foto: H.-D. Freese

Am ersten Grabungstag wurde im Bereich der Toranlage der Ackerboden auf einer Fläche von ca. 15 x 30 m (= 450 qm) mit Hilfe eines Baggers abgetragen, um auf dem freigelegten sterilen Boden Verfärbungen der Gräben und von Pfostengruben erkennen zu können.

Schon bei diesem Bodenabtrag durch den Baggerfahrer wurden zwei kleine Gefäße entdeckt und ausgegraben, darunter eine vorgeschichtliche Tasse, deren Griff abgebrochen daneben lag. Einige weitere Keramikscherben und kleinere Knochenstücke ließen den Verdacht aufkommen, Urnengräber entdeckt zu haben.

Keramikscherben einer Graburne in der Verfüllung eines Grabenkopfes. Foto: G. Lübbers

Da sonst aber fast keine Verfärbungen zu erkennen waren, wurde am zweiten Tag wieder der Bagger eingesetzt und der sterile Boden einige Zentimeter tiefer abgetragen. Auch hierbei wurden weitere Scherben entdeckt, nun auch Randscherben eines größeren Gefäßes mit Verzierung, die aneinander anpassten und nach ihrer Form (Trichterbecher) namensgebend für eine jungsteinzeitliche Kultur gewesen sind.

Anschließend wurde die gesamte Fläche von Hand mit Schaufeln freigelegt, danach zeichneten sich rechts und links der Erdbrücke jeweils zwei Grabenköpfe nur schwach vom umgebenden Boden ab. Außerdem waren einige Gruben und wenige Pfostengruben als Verfärbungen zu erkennen.

Im weiteren Verlauf der Grabung wurden die Gruben und Grabenköpfe jeweils längs und quer „geschnitten“, so dass beim spatentiefen Abgraben ein Längs- und ein Querprofil jedes Befundes erhalten blieb. An den Profilen ließen sich dann unterschiedliche Schichten der Verfüllung feststellen und per Fotos und Zeichnungen dokumentieren. Die Grabensohle wurde in allen vier Grabenköpfen in einer Tiefe von z. T. mehr als 2 m erreicht.

Fotodokumentation eines Schnittes durch einen halben Grabenkopf durch H. Sedlaczek
Uwe Milde schaufelt sich in die Tiefe eines Grabenkopfes. Foto: G. Lübbers
Die Hälfte eines Grabenkopfes ist bis zur Sohle ausgegraben und wird fotografiert. Foto: G. Lübbers

Es wurden bei dieser Kampagne sehr viele Scherben insbesondere in den Grabenköpfen entdeckt, meist zerbrochene Gefäße bereits in den obersten und oberen Verfüllschichten, gelegentlich auch auf der Grabensohle.

An zwei Stellen der bereits verfüllten Gräben kamen auch Knochenreste vermutlich von Leichenbrandbestattungen zutage, in einem Fall mit zwei daneben beigegebenen, vollständig erhaltenen Töpfen. Außerdem wurden Bruchstücke von Mahl- oder Reibsteinen, ein Pfeilspitze aus Feuerstein und Holzkohle geborgen.

In einem Viertelsegment einer länglichen Verfärbung werden zwei Gefäße freigelegt. Foto: G. Lübbers

Zu einem Vortragsabend am 14.9. im „Haus der Kirche“ in Stolzenau kamen fast 40 Zuschauer. Dr. Berthold berichtete über die Ergebnisse der Kommunalarchäologie der letzten drei Jahre, H.-D. Freese über die Entdeckung des Erdwerkes Müsleringen und mögliche Erklärungen für seine Nutzung in der Jungsteinzeit und Prof. Dr. Ramminger über die Grabungen 2011 und 2012 mit den neuesten Funden.

FAN-Grabungswochenende: Nele B. zeichnet ein Grubenprofil, Prof. Dr. Ramminger schaut zu. Foto: G. Lübbers
TeilnehmerInnen des Grabungswochenendes, rechts Prof. Dr. Ramminger. Foto G. Lübbers

An einem FAN-Grabungswochenende für berufstätige Vereinsmitglieder am 15. und 16.9. unter der Leitung des FAN-Vorsitzenden Dr. Wilhelm Gebers haben zehn bzw. vier Freiwillige teilgenommen. Unter ihnen waren Ole Björn, dessen Söhne Jesper und Rasmus nach zweistündiger Mitarbeit mehr Freude am Burgenbau auf den großen Erd- und Sandhaufen hatten, und Jörg Friede-Buchholz, dessen Tochter Nele von Frau Gebers und Prof. Ramminger ausführlich in die archäologische Arbeitsweise eingewiesen wurde.

Blick auf die Grabungsfläche. Foto G. Lübbers
Grabungsführung für interessierte Besucher. Foto: G. Lübbers

Am 27.9. fanden Führungen durch Prof. Dr. Ramminger, Dr. Berthold, H. Sedlaczek und H.-D. Freese auf der Grabung statt; am Nachmittag für Sponsoren, Fachkollegen (u.a. Kreisarchäologin Dr. J. Precht, Ldkr. Verden; Dr. D. Bérenger, Archäologe der LWL-Außenstelle Bielefeld) und die Presse, am späten Nachmittag für interessierte Besucher – mehr als 70 Personen ließen sich von Regenschauern nicht abhalten und erhielten ausführliche Informationen zur Grabung.

Mystischer Mysleringer Nebel liegt am Morgen über dem Erdwerk

Text und Fotos (wenn nicht anders bezeichnet): Gerd Lübbers 



Ein zusammenfassender Vorbericht von B. Ramminger, H. Sedlaczek, M. Helfert und N. Kegler-Graiewski: Scherbenstreuung und Brandgräber: Neue Untersuchungen am neolithischen Erdwerk von Müsleringen, ist in  Archäologie in Niedersachsen, 2013, Band 16, veröffentlicht worden.